Ein überraschend einfaches Modell erklärt, wie Gehirnzellen sich organisieren und verbinden

Ein Meilenstein in der Zusammenarbeit der Neurowissenschaften

In einer bahnbrechenden Studie haben Physiker und Neurowissenschaftler der Universität Chicago, Harvard und Yale bedeutende Fortschritte im Verständnis der neuronalen Vernetzung erzielt. Ihre Forschung, veröffentlicht am 17. Januar 2024 in Nature Physics, geht über die biologischen Eigenschaften einzelner Organismen hinaus und konzentriert sich stattdessen auf die allgemeinen Prinzipien der Vernetzung und Selbstorganisation, die bestimmen, wie Neuronen sich verbinden.

Eine neue Perspektive auf neuronale Netzwerke

Das Team unter der Leitung von Stephanie Palmer, PhD, Professorin für Physik und Organismal Biologie und Anatomie an der UChicago, näherte sich diesem komplexen Thema mit einer Mischung aus Physik und Biologie. Entgegen der Erwartung, dass einfache Modelle nur eine grobe Annäherung liefern würden, führten ihre Erkenntnisse zu tiefgreifenden Einsichten in die neuronale Vernetzung, die auf eine Vielzahl von Modellorganismen und möglicherweise auch auf nicht-biologische Netzwerke, wie soziale Interaktionen, anwendbar sind.

Die Bedeutung von “schwer-geschwänzten” Verbindungen

Neuronen kommunizieren durch ein komplexes Netz von Synapsen, in dem die Stärke der Verbindungen variiert. Ein Schlüsselergebnis der Studie ist die Identifizierung einer “schwer-geschwänzten” Verteilung in diesen Verbindungen. Dieses Muster, das durch einige Verbindungen, die deutlich stärker sind als andere, charakterisiert wird, bildet die Grundlage der Gehirnschaltkreise, die Denken, Lernen, Kommunikation und Bewegung ermöglichen. Diese Entdeckung stellt die bisherige Annahme in Frage, dass solche Muster organismusspezifisch seien und schlägt stattdessen vor, dass sie aus grundlegenden Netzwerkprinzipien entstehen.

Teil 2: Über die Biologie hinaus: Verständnis der Vernetzung in Neuronen

Entschlüsselung des Konnektoms durch Hebb’sche Dynamik

Um zu erforschen, wie Neuronen Verbindungen bilden, untersuchten das Team, einschließlich Christopher Lynn, PhD, Assistenzprofessor für Physik an der Yale University, und Caroline Holmes, PhD, eine Postdoktorandin an der Harvard University, Konnektome verschiedener Labortiere. Sie verwendeten ein Modell, das auf Hebb’scher Dynamik basiert, ein Konzept, das besagt, dass Neuronen ihre Verbindungen durch gleichzeitige Aktivierung verstärken. Dieses Modell konnte die beobachteten schwer-geschwänzten Verbindungsstärken in verschiedenen Arten erfolgreich nachbilden.

Clusterbildung: Ein universelles Netzwerkphänomen

Ein interessanter Aspekt ihrer Ergebnisse ist die Erklärung der Clusterbildung in neuronalen Netzwerken, ähnlich wie in sozialen Netzwerkszenarien, in denen gemeinsame Bekanntschaften zu neuen Verbindungen führen. Dieses Phänomen, beobachtet in verschiedenen Organismen, unterstreicht die universellen Prinzipien der neuronalen Vernetzung.

Ausgleich von Ordnung und Zufall in Gehirnschaltkreisen

Trotz dieser Muster erkennen die Forscher die inhärente Zufälligkeit in biologischen Systemen an. Neuronen lösen oft Verbindungen und bilden neue, ein Prozess, der wesentlich ist, um übermäßig dominante Verbindungen zu verhindern. Die Einbeziehung von Zufälligkeit in ihr Modell war entscheidend für dessen Genauigkeit und balancierte die deterministische Hebb’sche Dynamik mit der Unvorhersehbarkeit, die für echte Gehirne charakteristisch ist.

Implikationen und zukünftige Richtungen

Diese Forschung beleuchtet nicht nur die grundlegenden Prinzipien der Gehirnorganisation, sondern eröffnet auch die Tür zur Erforschung anderer Arten von Netzwerken. Der interdisziplinäre Ansatz, der Physik, Big-Data-Analyse und Neurowissenschaften kombiniert, bereitet den Weg für zukünftige Studien, die diese Prinzipien über das Reich des Gehirns hinaus erweitern könnten.