Aktuelle Forschung zu den zugrunde liegenden Ursachen männlicher Unfruchtbarkeit

Mature Spermien sind durch einen Kopf, einen Mittelteil und einen langen Schwanz zur Fortbewegung gekennzeichnet. Nun haben Forscher der Universitätsklinik Bonn (UKB) und der Transdisziplinären Forschungseinheit “Leben & Gesundheit” an der Universität Bonn herausgefunden, dass ein Verlust des strukturellen Proteins ACTL7B die Spermatogenese bei männlichen Mäusen blockiert. Die Zellen können nicht mehr ihre charakteristische Form entwickeln und bleiben vielmehr rund. Die Tiere sind unfruchtbar. Die Ergebnisse der Studie wurden nun im wissenschaftlichen Journal Development veröffentlicht.

Das Rückgrat der Spermatogenese

Männliche Samenzellen werden während der sogenannten Spermatogenese ständig in großer Menge in den Hoden produziert. In diesem Prozess entstehen die typisch länglichen Spermien aus runden Keimzellen. Diese enorme Veränderung der Form erfordert die fein abgestimmte Reorganisation spezialisierter struktureller Proteine. Eines dieser Proteine ist ACTL7B. “Da es ausschließlich bei Menschen und Mäusen während der Reifung männlicher Spermien produziert wird, wurde postuliert, dass das Protein für diese Entwicklungsphase wichtig ist”, erklärt der entsprechende Autor Prof. Hubert Schorle vom Institut für Pathologie am UKB, der auch Mitglied des Transdisziplinären Forschungsbereichs (TRA) “Leben & Gesundheit” an der Universität Bonn ist.

Um die Rolle des strukturellen Proteins in der Spermiogenese zu untersuchen, entwickelte das Team von Prof. Schorle ein Mausmodell mit einer Mutation im Actl7b-Gen mithilfe der Gentechnologie. Dies führt zu einem vollständigen Funktionsverlust von ACTL7B. “Ohne ACTL7B wird die Entwicklung blockiert, die Zellen bleiben oft in einer rundlichen Form, nehmen in der Regel nicht die längliche, typische Form der Spermien an und sterben weitgehend ab”, sagt die Erstautorin Gina Esther Merges, eine Doktorandin im Labor von Professor Schorle.

Störung im Netzwerk der Proteine

In diesem Zusammenhang fanden die Bonner Forscher heraus, dass ACTL7B für die Neugestaltung des Zytoskeletts der Spermatiden erforderlich ist. Mithilfe massenspektrometrischer Analysen identifizierten sie zwei Interaktionspartner von ACTL7B, DYNLL1 und DYNLL2.

Wir konnten zeigen, dass DYNLL1 und 2 ohne das strukturelle Protein in den runden Spermatiden nicht korrekt lokalisiert sind. Da es sich wahrscheinlich um einen größeren Protein-Komplex mit weiteren Interaktionspartnern handelt, führen wir den oben beschriebenen Effekt auf einen Verlust der zeitlich und räumlich präzise regulierten und gezielten Umverteilung dieser Proteine zurück”, bemerkt Prof. Schorle.

Dies erklärt, warum die Spermien männlicher Mäuse mit einem mutierten Actl7b-Gen nicht in der Lage sind, die charakteristische Form zu entwickeln. Aufgrund dessen sind die Tiere unfruchtbar. Darüber hinaus gibt es laut anderen Forschungen Hinweise darauf, dass die Proteinmenge von ACTL7B bei einigen Patienten mit Fruchtbarkeitsproblemen reduziert ist. “Unsere Studie legt nahe, dass Mutationen im Actl7b-Gen die Ursache für männliche Unfruchtbarkeit sein könnten”, sagt Prof. Schorle.

Diese neuen Erkenntnisse könnten Forschern helfen, die Ursachen von männlicher Unfruchtbarkeit besser zu verstehen und neue Ansatzpunkte für zukünftige Fruchtbarkeitsbehandlungen zu identifizieren.